Eltern Baby Team

Gemeinsam durch das erste Jahr

Pränataldiagnostik in der frühen Beziehung von Eltern und Baby

 

 Die Beziehung zwischen Eltern und ihren Kindern beginnt eigentlich schon neun Monate vor der Geburt. Nämlich dann, wenn ein Baby "geplant" wird oder wenn die Eltern von der Schwangerschaft erfahren. Bereits hier werden Mutter und Vater fantasieren wie ihr Baby aussehen könnte, welchen Namen sie aussuchen und wie das Familienleben aussehen kann. 

Im Laufe der Schwangerschaft werden die Vorstellungen und Erwartungen durch die körperlichen (hormonellen) Veränderungen sowie das einsetzende „Spüren“ des Babys ergänzt. Vor allem die Mutter erkennt manchmal schon das Temperament des Babys, seine Vorliebe für bestimmte Geräusche oder Berührungen, seinen Rhythmus. Und andersherum erkennt das Baby was die Mutter gerne hört, was sie gerne isst und auch was sie fühlt. Mutter und Kind interagieren miteinander, sie sind bereits in der Schwangerschaft über ihre Sinne und Emotionen (z.B. Neurotransmitterübertragung) verbunden. 

Heutzutage wird dieser Blick nach innen durch den Blick von außen ergänzt. Wir können mit Hilfe von Ultraschalluntersuchungen sehen wie das Herz unseres Babys schlägt, wie sich das Baby bewegt, welches Geschlecht es hat und wem es eventuell schon ähnelt. Und wir können sogar noch mehr: wir können einige Erkrankungen oder Fehlbildungen erkennen, wenn wir es wünschen. Dieser Blick von außen ist niemals „nur“ ein Ultraschall – es macht doch etwas mit uns, mit unserer Beziehung. Es bestätigt unsere Erwartungen und Gefühle oder es verändert sie. Aber gemäß Paul Watzlawik der sagte "man kann nicht nicht kommunizieren" ist auch der Ultraschall eine Art der Kontaktaufnahme. 

Besonders diskutiert wird in den letzten Jahren die Pränataldiagnostik z.B. das Ersttrimesterscreening (ETS), mit dem ich mich beispielhaft genauer beschäftigt habe. Oft werde ich gefragt, was ich von dieser Untersuchung halte. Sicherlich gibt es hierbei - wie so oft -zwei Seiten der Medaille, welche sich beide auf die Beziehung zum Ungeborenen auswirken. Um es vorwegzunehmen – es gibt hier kein Pro oder Contra Pränataldiagnostik von mir, aber ich versuche möglichst viele Aspekte aufzuzeigen, die ihr in eurer Entscheidung und schließlich in eurer Beziehung zum Baby berücksichtigen könnt. 

Zunächst vorweg: Was genau ist das ETS? 

Das ETS, welches in der 11-14 SSW durchgeführt wird, dient neben der Festlegung des exakten Schwangerschaftsalters vor allem der Risikoabschätzung hinsichtlich der häufigsten genetischen Abweichungen wie Trisomie 21, Trisomie 18, Trisomie 13 usw. 

Bei der Untersuchung selbst gibt es unterschiedliche Herangehensweisen. So wird einerseits in einer Ultraschalluntersuchung die Nackentransparenz, eine Flüssigkeitsansammlung im Nackenbereich des Babys gemessen und festgestellt, ob diese erhöht/ nicht erhöht ist. Eine erhöhte Ansammlung gilt als ein Indiz für das Vorliegen von genetischen Erkrankungen wie eben Trisomie 21, 13, 18. 

Zusätzlich werden manchmal zwei biochemische Marker im Blut der Mutter (freies ß-hCG und PAPP-A) bestimmt. Ausgewählte Praxen ermitteln auch ob das Nasenbein vorhanden/ nicht vorhanden ist, ob die Trikuspidalklappenregurgitation normal/ auffällig ist und ob der Ductus Venosus Fluss unauffällig/ auffällig ist. 

Alle Werte, die bei dieser Ultraschall-/Blutuntersuchung ermittelt wurden, werden miteinander kombiniert und ergeben eine statistische Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Trisomie (21,13,18). Außerdem können bei diesem hochauflösenden Ultraschall mögliche Fehlbildungen (Herz, Gliedmaßen, Organe) erkannt werden, wodurch manchmal die Geburt besser vorbereitet oder begleitet werden kann. Manchmal sind mit Hilfe dieser Untersuchung auch schon gezielte Eingriffe während der Schwangerschaft möglich (z.B. bei einem offenen Rücken). 

Eltern die aufgrund ihres Alters oder familiären (genetischen) Erkrankungen „Risikoschwanger“ sind, können das ETS als Kassenleistung in Anspruch nehmen. Doch auch ohne ein solches Risiko ist es möglich diese Untersuchung in Eigenleistung zu beanspruchen z.B. weil Ängste und Sorgen bestehen. Viele Mütter berichten, dass ihnen das ETS eine grundlegende Zuversicht gäbe. Eine positiv gestimmte und entspannte Mutter überträgt natürlich ganz andere Signale an ihr Kind als eine besorgte und angespannte Mutter. 

Die meisten Eltern erhalten im ETS ein positives Ergebnis d.h. eine unauffällige Wahrscheinlichkeit. Ein positiver Nebeneffekt sind auch die emotionalen und einzigartigen Aufnahmen des Babys (hohe Auflösung, teilweise 3D, Farbaufnahmen) sowie eventuell schon das frühe Erkennen des Geschlechtes, worauf viele Eltern neugierig warten. So gesehen gehen viele Eltern mit einem positiven Gefühl aus der Untersuchung. 

Auf der anderen Seite gibt es aber auch Eltern, die mit ganz anderen (positiven) Erwartungen in das ETS hineingehen und mit vielen Fragen zurückkommen. Zum Beispiel wenn im ETS eine Wahrscheinlichkeit von 1: 120  für das Vorliegen einer Trisomie 21 berechnet wurde. Was heisst das überhaupt? Es bedeutet, dass in 1 von 120 Fällen bei identischen Ergebnissen Kinder mit Trisomie 21 zur Welt kamen. Ok, aber was bedeutet das jetzt für mich und mein Baby? 

Das ETS ist eine Momentaufnahme in einem sehr frühen Schwangerschaftsstadium. Wie gesagt erhält man ein Ergebnis aufgrund einer statistischen Berechnung. Dadurch ist das Ergebnis keinesfalls sicher, sondern im Gegenteil störanfällig. 

Beispiel: Von 75.000 Frauen erhalten ca. 3.900 Frauen die Nachricht, dass ihr Kind eventuell eine Trisomie haben könnte (obwohl das Kind tatsächlich keine hat) und rund 50 Frauen erhalten die Nachricht, dass ihr Baby keine Trisomie hat (obwohl es tatsächlich eine hat).

 5-10% Irrtum klingen zwar nicht viel, aber für diejenigen die es betrifft, könnte in dem Moment eine Reise voller Sorgen beginnen. 

Nicht zu vergessen ist, dass die Höhe der Nackentransparenz auf die sich die Berechnung ja hauptsächlich stützt, ganz viele Ursachen haben kann. Einige davon sind ebenfalls besorgniserregend (Herzfehler, Probleme mit dem Stoffwechsel) und einige kennen wir nicht ein Mal d.h. es kommen Babys mit zuvor festgestellter erhöhter Nackentransparenz trotzdem gesund zur Welt. Die NT ist eben nur ein Hinweis auf ein Problem aber nie ein Beweis. 

Was also bei einem auffälligen Ergebnis folgt ist teilweise eine echte Achterbahnfahrt mit Überlegungen wie beispielsweise: Lasse ich weitere Untersuchungen (z.B. Fruchtwasseruntersuchung) durchführen, die das Ergebnis deutlicher machen, aber ein Risiko bergen, dass ich das Baby verliere. Wie gehe ich mit einer Diagnose um? Nehme ich das Babys so an wie es ist? Kommt für mich ein Schwangerschaftsabbruch in Frage? Wie steht mein Partner zu all diesen Themen? 
Selbst wenn sich eine Trisomie durch weitere Untersuchungen wie den ungefährlichen Bluttest (z.B. Praena Test) nicht bestätigen lässt, bleiben oftmals Fragen und Sorgen zurück, was es denn dann sein könnte, wenn es keine Trisomie ist. "Warum war denn dann die Nackentransparenz erhöht?" ; "Was können wir noch untersuchen?".
Nicht selten bleibt die Schwangerschaft über eine Anspannung und Angst zurück, welche v.a. die Mutter durch ihre Verbindung zum Baby nicht vor ihm verstecken kann. 

In jedem Fall wird deutlich, dass ein ETS die Beziehung zwischen allen Beteiligten beeinflusst, besonders wenn das Ergebnis unerwartet kommt. Wichtig ist für mich daher gar nicht die Entscheidung ob man dieses Screening durchführt, sondern inwiefern man sich vorher mit all diesen Themen auseinandersetzt. Man denkt ja zu oft „ach 5-10% Irrtum, mich wird es nicht treffen“, aber wenn es „dich“ dann trifft, ist es ein ganz schön gewaltiger Knall. Erschreckend fand ich daher Umfrageergebnisse unterschiedlicher Studien, die zeigten, dass rund 65% der Schwangeren vor dem ETS gar nicht so recht nachgedacht haben, was dort auf sie zukommt (es war mehr so etwas wie eine Standard Untersuchung) und die Hälfte der Befragten fand daher die Entscheidung für ein ETS auch gar nicht schwierig. Ebenfalls die Hälfte waren sich aber auch nicht über die möglichen emotionalen und ethischen Folgen der Untersuchung bewusst. 25% konnten im Nachhinein nicht genau erklären, was denn die Größe der Nackentransparenz bedeutet. 

Was bleibt ist der Eindruck, dass oftmals zu „leichtfertig“ mit dieser Untersuchung umgegangen wird. Dies mag daran liegen, dass viele Eltern profitieren. Dennoch sollte nicht vergessen werden, dass jeder „Blick von außen“ den „Blick nach innen“ verändern kann.